Projekt Le-Chol Adam Yesh Shem – Jeder Mensch hat einen Namen der Klasse 7 F

 

לכל אדם יש שם

Le-Chol Adam Yesh Shem – Jeder Mensch hat einen Namen

 

Jährlich werden in Israel und der gesamten jüdischen Welt zum Feiertag Yom ha-Shoa, dem Gedenktag an die Märtyrer und die Helden, die Namen der Opfer des Holocaust laut verlesen. Dies zeigt den Versuch, dem Bestreben der Nationalsozialisten entgegenzuwirken und auch den Toten ihre Identität zurückzugeben.

Im Juni 2014 stellten sich 24 Schülerinnen und Schüler der Klasse 7F der Winfriedschule Fulda die Frage, was sie eigentlich über die jüdische Bevölkerung ihrer Stadt wissen, damit meinten sie nicht nur die heutige, wieder wachsende jüdische Gemeinde, sondern vor allem diejenigen Juden, die bis 1942 in Fulda gelebt hatten.


„Wie kam es dazu, dass aus meiner Heimatstadt Juden vertrieben wurden, dass sie deportiert, entwürdigt, am Ende fast alle getötet wurden?“

„Warum wusste ich bislang nichts davon?“

„Wie kann so etwas möglich sein?“

„Das Schreckliche betraf die Generation meiner Großeltern und Urgroßeltern – die können das doch nicht mitgemacht haben?!“

 

Bei einem Stadtrundgang durch die Fuldaer Innenstadt auf den Spuren jüdischen Lebens vor 1942 bemerkte eine Fuldaer Referendarin: „Ich sehe meine Stadt mit neuen Augen. Mir war nicht klar, dass beinahe überall jüdisches Leben mitten unter uns war.“

 

Schnell war allen am Projekt beteiligten Jugendlichen und Erwachsenen klar, dass sie gemeinsam die Vergangenheit erforschen wollen, um sich verantwortungsvoll ihrer eigenen Heimatgeschichte anzunähern. Am Ende sollte ein sichtbares Zeichen stehen. Dies sollte aber kein Klassenzimmerdasein fristen, sondern die Stadt Fulda teilhaben lassen an dem, was so wenigen bewusst ist: Für die 1119 Einwohner Fuldas jüdischen Glaubens, die vor 1933 in Fulda lebten, war unsere Stadt auch Heimat.

Wir wollen ihnen als kleinste Geste der Erschütterung und Anerkennung ihrer Leiden ihre Namen in Fulda erkennbar zurückgeben.

 

Hinter möglichst jeder Schaufensterscheibe eines ehemaligen jüdischen Geschäfts  oder Bankhauses der Fuldaer Innenstadt, an jedem Gebäude, das einst jüdisches Leben und jüdische Kultur beherbergte, soll ein QR-Code installiert sein, der per Smartphone-App auf unsere Homepage führt. Auf einer Karte der Fuldaer Innenstadt kann man sich anschließend informieren, was und wer sich einst an dieser Adresse befand.

 

Wir wünschen uns breite Unterstützung und den Mut aller Fuldaer, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Beschreibung der Forschungsstationen

Schülerinnen und Schüler der Klasse 7F beim Stadtrundgang am Denkmal auf dem Jerusalemplatz

1. Stadtrundgang

Während eines 90minütigen Stadtrundgangs hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit sowohl prägnante als auch auf den ersten Blick weniger auffällige Spuren jüdischen Lebens in der Fuldaer Innenstadt zu erkunden. Beginnend bei dem ehemaligen jüdischen Friedhof (seit 1996: Jerusalemplatz), der heute als Grünanlage gestaltet ist, führte der Weg weiter zur Adresse am Stockhaus 2, die in der Zeit vor 1942 Synagoge und Mikwe der jüdischen Gemeinde beherbergte. Das Gebäude der Synagoge selbst ist heute nicht mehr vorhanden, stattdessen fanden die Forscherinnern und Forscher Granitblöcke, auf denen die Namen von 252 deportierten Fuldaer Juden angebracht sind, um an religiöses jüdisches Leben und an die Verbrechen der Nationalsozialisten in Fulda zu erinnern. Des Weiteren führte der Rundgang zu einem Gebäude in der Mittelstraße 30-32, das stellvertretend für zahlreiche jüdische Geschäfte im Stadtgebiet steht. Im Dachbereich des Hauses lässt sich noch, wenn auch stark verblasst, die Inschrift Kaufhaus Baer lesen. Den Schlusspunkt der Exkursion bildete die Von-Schildeck-Straße, in der sich die alte israelitische Volksschule befand und heute das jüdische Gemeindezentrum untergebracht ist.

 

2. Hessische Hochschul- und Landesbibliothek

Der Besuch in der hessischen Landesbibliothek am 3.7.14 eröffnete den SuS, im Sinne des forschenden Lernens die Möglichkeit, sich selbstständig über ein von ihnen gewähltes Thema zu informieren und dabei eine neue Methode kennenzulernen und auszuprobieren. Durch Suchanfragen an die Literaturdatenbank und das Archiv der HLB eröffnete sich für die SuS eine weitläufige Informationsquelle. Insbesondere die Atmosphäre während des  Aufenthalts im Lesesaal, die ein sehr ruhiges und konzentriertes Arbeiten voraussetzt, veranlasste zu engagiertem Erkunden der zuvor ausgewählten Lektüre.   

 

3. Stadtarchiv

Zu Beginn unseres Besuches am 7.7.14 erarbeitete der Leiter des Stadtarchives Fulda, Dr. Thomas Heiler zusammen mit den Schülerinnen und Schülern zu Beginn den Sinn und Gebrauch eines Archivs. Er erläuterte kurz und anschaulich die Aufgaben eines Archivars und ging dann, unterstützt durch das Vorwissen der SuS, auf das Thema „jüdische Geschichte in Fulda“ ein. Auf die jungen Forscher übten vor allem die historischen Dokumente zur Stadt- und genauer zur Deportationsgeschichte der Fuldarer Juden eine große Faszination aus. Es wurde schnell deutlich, dass Geschichte ihre Lebendigkeit nicht zuletzt durch eben solche Zugänge bewahren kann. Was man in den eigenen Händen gehalten hat, ist einprägsamer als beispielsweise eine einfache Bildaufnahme. Die Einwohnerkartei mit Namen und Daten der Fulader Juden war durch die von den Nationalsozialisten vorgenommene Namensänderung und den Hinweis auf einen unbekannten Aufenthaltsort nach der Deportation ein eindrucksvolles Beispiel für Hinweise auf das Leben der Juden in Fulda.

Schülerinnen und Schüler vor der Gedenkstätte der zerstörten Synagoge (in der Straße Am Stockhaus)


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