Winfriedschüler bei Gedenkveranstaltung der Bundesregierung in Berlin

26.06.2019 15:58

Von: Robert Brand

Am 20. Juni hatte eine Schülergruppe der Q2 der Winfriedschule inklusive vier Schülerinnen und Schülern vom Freiherr-von-Stein- und vom Domgymnasium eine besondere Gelegenheit, um mit dem Politikbetrieb in der Hauptstadt Berlin in Kontakt zu kommen:

Seit 2015 ist der 20. Juni bundesweiter Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung. Der Gedenktag knüpft an den Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen an, der ebenfalls auf den 20. Juni fällt und in diesem Jahr mit der Nachricht verbunden war, dass 2018 weltweit erstmals mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht waren. Mit dem 2015 etablierten Gedenktag erinnert die Bundesregierung insbesondere an die deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung zum Ende des Zweiten Weltkriegs und während der Folgejahre.

Auf Einladung des Bundesinnenministeriums und der Landesbeauftragten der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Frau Margarete Ziegler-Raschdorf aus Fulda, konnte die Schülergruppe zwei Tage in Berlin verbringen und an den Veranstaltungen zum Gedenktag teilnehmen.

Das war zunächst eine Podiumsveranstaltung im Bundesinnenministerium, die der Begegnung von Zeitzeugen, Experten, Schülern und jungen Erwachsenen diente, um über die historische und aktuelle Dimension von Flucht und Vertreibung ins Gespräch zu kommen. Die Schülergruppe aus Fulda und eine Gruppe deutscher Schülerinnen und Schüler aus Rumänien verfolgten zunächst die verschiedenen Beiträge und Berichte, die auf die einleitenden Worten von Herrn Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, folgten und von Frau Dr. Gundula Bavendamm, Direktorin der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, moderiert wurden.
Eindrucksvoll schilderte zum Beispiel der Zeitzeuge Georg Richter, ein heute 92-jähriger Ungarndeutscher, wie er jahrelange sowjetische Kriegsgefangenschaft überlebte und nach seiner Entlassung nach Ungarn dort aufgrund seiner deutschen Volkszugehörigkeit erneut Zwangsarbeit leisten musste, bevor er schließlich in Deutschland ein zweites Leben anfangen konnte.
Es berichtete außerdem Herr Jaroslav Ostrčilík von seinem Projekt des Brünner Gedenk- und Versöhnungsmarschs: In Erinnerung an den Beginn des sog. „Brünner Todesmarsches“ vom 31.05.1945 veranstaltet er seit 2007 den „Marsch der Lebenden“. Begonnen habe man zu dritt und gegen teils erhebliche Widerstände. Heute hingegen sei es eine große Veranstaltung mit breitem Rückhalt in der tschechischen Bevölkerung – hier habe sich in den vergangenen 15 Jahren viel verändert.
Frau Dr. Maria Werthan, Präsidentin des Frauenverbandes des Bundes der Vertriebenen, und Irina Peter, eine junge kasachstandeutsche Social Media-Aktivistin, brachten aus der Perspektive unterschiedlicher Generationen zur Sprache, mit welchen Schwierigkeiten das Ankommen in einer neuen Heimat verbunden sein kann und wie herausfordernd sich die Identitätsfindung gestaltet.
In der sich anschließenden Aussprache konnten die Schülerinnen und Schüler ihre vorbereiteten und ihre neu aufgekommenen Fragen zum Thema mit den Podiumsgästen erörtern.

Mittags folgte dann die Teilnahme an der offiziellen Gedenkstunde der Bundesregierung im Zeughaushof des Deutschen Historischen Museums in Berlin. Im Beisein weiterer prominenter Vertreter aus Politik und Gesellschaft würdigte Bundesinnenminister Horst Seehofer die Lebensleistung und die Integrationsanstrengungen der deutschen Vertriebenen nach 1945. Deren durch den Zweiten Weltkrieg ausgelösten leidvollen Erfahrungen hätten als Mahnung für heute zu dienen und daher brauche es auch eine angemessene Erinnerung. „Es ist Aufgabe des Staates, einen würdigen Rahmen für so einen Gedenktag zu schaffen“, so Seehofer.
Bischof Reinhart Gruib von der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien appellierte in seinem Grußwort daran, in ganz Europa Werte der Humanität und Hilfsbereitschaft nicht aufzugeben, sondern hochzuhalten, gerade auch im Umgang mit Geflüchteten heutzutage. Er war sich hier einig mit dem ebenfalls sprechenden Repräsentanten des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR), Herrn Dominik Bartsch: „Während jeder Sekunde, die ich hier rede, werden weiter Menschen verfolgt“, mahnte Bartsch.
Die Hauptrede hielt Frau Prof. Dr. Aleida Assmann, Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2018 und ausgewiesene Expertin zu Fragen des kulturellen Gedächtnisses und kollektiver Erinnerung. Sie thematisierte den Umstand, dass Menschen, die Flucht und Vertreibung erfahren mussten, es schwer hätten, mit ihrer Geschichte ihren Platz in der historischen Forschung, in öffentlichen Medien und im allgemeinen Bewusstsein zu finden – obwohl das 20. Jahrhundert immer wieder von Flucht und Vertreibung begleitet worden sei. Es sei wichtig, solche Erinnerungen aufzuarbeiten. Dabei könnten Flucht- und Migrationserfahrungen jeweils genutzt werden, um von einem Fall für den anderen zu lernen und einer „Flüchtlings- und Entwurzelungsparanoia“ vorzubeugen: Wir alle seien Teil einer unabgeschlossenen Migrationsgeschichte und trügen die Verantwortung dafür, wie diese weitererzählt wird.

Das Schlusswort zur Gedenkstunde sprach Dr. Bernd Fabritius, der Präsident des Bundesverbands der Vertriebenen. Angesichts von über 70 Millionen von Flüchtlingen aktuell stellte er klar, dass Geschichte sich nicht wiederholen müsse: „Wir selbst haben es in der Hand, solche Spiralen zu durchbrechen“, so Fabritius.

Im Anschluss konnten die Schülerinnen und Schüler sich beim Empfang mit Häppchen und Getränken über die Veranstaltung austauschen. Hierzu gesellte sich auch Bundesinnenminister Horst Seehofer, der sich die Zeit für ein ungezwungenes Gespräch nahm und eigens für die Schülerinnen und Schüler die interessierten Medienvertreter warten ließ.

Insgesamt also eine spannende Unternehmung mit exklusiven Eindrücken! Für das Ermöglichen dieser Erlebnisse bedanken wir uns bei Frau Ziegler-Raschdorf sowie allen Involvierten im Bundesinnenministerium und dem Jugendbildungswerk der Stadt Fulda.

Bilder Podiumsveranstaltung: Herr Halatsch (BdV), Herr Schacht (BMI)

Bilder Gedenkstunde: Frau Ziegler-Raschdorf

Bilder Gedenkstunde Teil 2: Julius Kniese



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